Hildegard von Bingen
„Lebensmittel sind Deine Heilmittel“
Die Gesundheitslehre nach Hildegard von Bingen
ANITI-AGING = Das Geheimnis des Altwerdens und dabei jung zu bleiben!
ZIEL = Hildegard in das tägliche Leben einfliessen lassen
Hildegard von Bingen lebte von 1098-1179 in Deutschland, 81 Jahre lang, im Mittelalter. Sie wurde in der adeligen Familie, von Edelfreien in Bermersheim (bei Alzey, Rheinhessen) als 10. Kind geboren. Der Vater war Landesgutsverwalter des - Hochstifts von Speyer - und als „Zehnt“ war sie schon vor ihrer Geburt gottgeweiht und kam so im Alter von 8 Jahren unfreiwillig in der Klause für Mädchen (gegründet von - Jutta von Spanheim -), beim Benediktinerkloster am Disibodenberg (Nähe von Bad Kreuznach).
Sie wurde von - Jutta von Spanheim - erzogen und ausgebildet. Später wurde sie vom - Mönch Volmar vom Disiboden - unterrichtet. Als sie ihre Visionen aufschrieb, wurde er ihr Sekretär, der ihre Grammatik korrigierte und auch ihre Lieblingsnonne - Richardis von Stade -, die ihre Visionen in lateinischer Sprache niederschrieb, halfen ihr dabei. Mit 16 Jahren (im Jahre 1114) trat sie dann freiwillig der Klostergemeinschaft bei und mit 38 (im Jahre 1136) Jahren übernahm sie dann die Führung und wurde zur leitenden Äbtissin ernannt, als die Leiterin, - Jutta von Spanheim -, verstarb.
Als Klosterleiterin gründete sie 1147, aufgrund einer Vision und gegen den Widerstand der Mönche, ihr eigenes Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen, mit 18 Nonnen. Zur Weihe der neuen Abteikirche liess sie ihr Singspiel „ Ordo Virtutum“ (Spiel und Ordnung der Kräfte) aufführen.
Ein weiteres Kloster gründete sie in Eibingen, welches heute noch vorhanden ist. In diesem Kloster fanden die Nonnen Zuflucht, als die Schweden, im 30-jährigen Krieg, das Kloster Rupertsberg zerstörten. Aus der Klosterkirche wurde die Pfarrkirche von Eibingen. Hier befinden sich die Gebeine der hl. Hildegard von Bingen. Die Abtei St. Hildegard, oberhalb von Eibingen, gibt es erst seit 1904.
Die - Sekretärin des Heiligen Geistes - besass von Geburt an die Gabe der Schau. Sie was hellsichtig, hellhörig und hellfühlig und nahm dadurch die Welt auf ihre eigene Art war, wie sonst kein anderer. Sie selber meinte, dass die anderen Menschen die Welt genauso sahen und hörten wie sie. Als sie so langsam verstand, das es nicht so wahr, hielt sie sich zurück und teilte den anderen nicht mehr alles mit, was sie sah oder hörte. Sie selber verstand ihre Gabe als Teilhabe an der Weisheit Gottes. Diese Weisheit wurde ihr durch bildhafte Visionen vermittelt.
Erst mit fast 43 Jahren, im Jahre 1141, erhielt sie vom Leben den Auftrag: Schreibe, was du siehst und hörst! Tue kund die Wunder, die du erfahren! Schreibe sie auf und sprich! So fing sie an ihre bildhaften Visionen, ihre Kenntnisse der Dinge im Leben, aufzuschreiben.
Berühmt wurde Hildegard von Bingen, als in Trier, vom November 1147 bis Februar 1148, eine Synode stattfand. Papst Eugen III., der zuvor die Fähigkeiten von Hildegard hat prüfen lassen, las vor versammelten Kardinälen, Bischöfen und Theologen, aus ihrem 1. Buch „Scivias“ (Wisse die Wege) persönlich vor. Mit dieser öffentlichen Vorlesung wurde sie, mit ihrer Gabe der visionären Schau, kirchlich anerkannt und war danach im gesamten Abendland berühmt.
Aber warum hat man von Hildegard dann so lange nichts mehr gehört?
Am 17.09.1179 verstarb diese unvergessliche Prophetin mit 81 Jahren in ihrem Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen, welches dann 1660 zerstört wurde.
Es wird berichtet, das über ihrem Grab tagelang ein helles Licht erstrahlte. Und so pilgerten nach ihrem Tod die Menschen in Scharen zu ihrem Grab, denn es geschahen dort viele Wunderheilungen.
Dem Klosterleben am Rupertsberg wurde der Trubel zu gross und sie riefen den Erzbischof von Mainz zur Hilfe. Er sollte wieder für Ruhe und Ordnung sorgen. Der Bischof ging zum Grab von Hildegard und verbot ihr, weiterhin Wunder zu vollbringen. Die verstorbene Hildegard war immer eine Gehorsame und gehorchte auch damals, denn von diesem Moment hörten die Heilungswunder schlagartig auf, die Pilgerströme hörten auf, das Klosterleben wurde wieder ruhiger und Hildegard geriet bald in Vergessenheit.
Hildegards Niederschriften wurden archiviert und verloren an Bedeutung. Nicht zuletzt deswegen, weil sie nur von wenigen verstanden wurden. Die theologischen und naturwissenschaftlichen Visionen bieten ein breit gefächertes Arbeitsfeld für die unterschiedlichsten Ausrichtungen dieser Welt.
Schriften von Hildegard
Ihre Theologische Hauptwerke
“SCIVIAS” – Wisse die Wege (entstanden 1141 bis 1151)
“LIBER VITAE MERITORUM” – das Buch der Lebensvergeltung (entstanden 1158 bis 1161)
Das Buch der Lebensvergeltung beschäftigt sich mit der Frage „Wie kann ich in dieser Welt verdienstlich, erfolgreich, dem Guten dienlich leben?“ Hildegard von Bingen schrieb dieses Werk als eine Art Theaterstück, indem mehrere Figuren, die Laster und Tugenden, ihre Konzepte des Lebens vorstellen. In der Mitte dieser Gegensätze steht der Mensch mit seiner Entscheidungsfreiheit, sich für die Tugenden oder die Laster entscheiden zu können.
1. Teil: Naturkunde – ,,PHYSICA“
Der erste Teil besteht aus 9 unterschiedlichen Büchern, die insgesamt 513 Kapitel aufweisen. Diese handeln von dem Ursprung der verschiedenen Metalle, den vielen Pflanzen, Säugetieren, Fischen, Vögeln, Reptilien, Bäumen und Steinen. Diese werden hier ausführlich beschrieben. In diesen Büchern stehen auch Rezepte und Ratschläge für Gesundheit des Menschen.
2. Teil: Heilkunde – „CAUSAE ET CURAE“
Der zweite Teil beschreibt, die vielen verschiedenen Krankheiten, die ein Mensch haben kann und der Körper des Menschen wird hier genaustens behandelt. Hildegard von Bingen befasste sich mit den vielen Krankheiten, sondern auch mit Schlafstörungen, dem Wachstum eines Menschen und dessen Verdauung. Aber auch die Gemütsbewegungen und die gesunde Ernährung werden in diesem Buch behandelt. Hildegard von Bingen beschäftigte sich auch mit dem Gehen, Stehen und Reiten. Dieses Buch erklärt den Menschen, was sie machen sollten, um ihren Alltag gesund und munter bewältigen zu können.
Heilig-Sprechung der Hildegard von Bingen
1233 wurde das Heilig-Sprechungsverfahren, von Papst Gregor IX eingeleitet, aber aufgrund von Streitigkeiten zwischen Papst Innozenz und dem Mainzer Domkapitel kam es jedoch nicht zu einer offiziellen Heiligsprechung (Kanonisation).
Erst im 16. Jahrhundert (1584) wurde sie dann dennoch in das Verzeichnis der Heiligen (Martyrologium Romanum = Verzeichnis der offiziell Heiliggesprochenen der römisch-katholischen Kirche) aufgenommen.
Papst Benedikt XVI (Joseph Aloisius Ratzinger), war auch von Hildegard beeindruckt, sprach sie dann am 10. Mai 2012 heilig und nahm sie offiziell in den Heiligenkalender auf und erhob sie am 7. Oktober 2012 zur Kirchenlehrerin. Heute ist sie die „heilige Hildegard von Bingen“ und steht für eine ganzheitliche Lehre, für den Einklang von Körper und Seele, Universum und Individuum. Ihr Fest wird am 17. September, ihr Todestag, gefeiert.
Durch Hildegards Wissen können wir lernen,
ein gesünderes Leben zu führen und dabei immer glücklicher zu werden.
Der Ansatz zur Gesundheit ist bei Hildegard immer ganzheitlich zu betrachten. Wer gesund sein will, sollte in Harmonie mit dem Heiligen Geist und der Natur leben.
Für viele Krankheiten hat Hildegard Rezepte und Ratschläge niedergeschrieben, die folgende Gesundheitsmittel und Gesundheitsverfahren beinhalten, wie:
Dieses Wissen ist leider über die Jahrhunderte in Vergessenheit geraten und wurde durch die moderne, chemische Medizin ersetzt.
Die Wiederentdeckung der Hildegard-Medizin
Siehe Literatur HvB
Die heilige Hildegard und ihre Medizin
Vortrag beim Grossen Hildegard-Treffen 1996
auf der Insel Reichenau im Bodensee
Für den heutigen Menschen bietet die Hildegard-Medizin wahrscheinlich den einfachsten Zugang zum Gesamtwerk der heiligen Hildegard.
Hildegard von Bingen hat in 82 Lebensjahren wirklich alles durchkostet, durchlebt, durchlitten, was ein Mensch ertragen kann. Sie lebte in einer sehr schwierigen Zeit, die – ähnlich wie die unsere - ausserordentlich von Krieg und Kriegsgeschrei übertönt war.
Auffallend ist die sehr treffende klare Diktion in ihren Werken. Also keine Konfusion, wie man das bei Mystikern sonst in der Regel findet. Die Benediktiner-Äbtissin hat eine klare Meinung. Diese man befolgen oder man muss sie ablehnen. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert.
Die einen „schwören“ auf ihre Hildegard-Medizin, die anderen, z.B. die Schulmedizin, lehnt sie noch immer ab. In den Visionsbilder wird Hildegard immer in einer Doppelfunktion gezeigt. Einmal empfängt sie ihre Visionen offensichtlich von der Weisheit Gottes, in Form von Inspirationen, Impressionen, Tönen und Bildern. Ähnlich wie Johannes – 95/96 n. Chr. auf Patmos – bekommt sie den Befehl: „Schreibe, was du siehst! Tu kund die Wunder, die du erfahren! Schreibe sie auf und sprich!“
Gleichzeitig zeigen die Bilder, dass Hildegard einem ausserhalb ihrer Klause sitzenden Schreiber dem Prior Volmar ihr Wissen diktiert. Das ist der Beginn ihrer literarischen Tätigkeit, die bis zum heutigen Tag nachwirkt.
Über 500 Pflanzen hat Hildegard so subtil beschrieben, dass man sie zum grossen Teil heute noch klar diagnostizieren kann. Aber bei ihr gehört zur Heilkunde mehr als nur die Verabreichung von Arzneimitteln oder die Anwendung einer Diät. Sie sieht immer die grossen Zusammenhänge in einer Ganzheit.
Diese medizinische Richtung kehrt heute wieder in das Bewusstsein der Menschen unter dem Stichwort Ganzheitsmedizin im deutschen und holstic medicine im amerikanischen Sprachraum zurück.
Daher steht bei Hildegard auch der Mensch im Mittelpunkt des gesamten Kosmos, wie es in ihren Visionsbildern zum Ausdruck kommt - eine Auffassung, die heute weitgehend abgelehnt wird, weil man nach dem Darwinismus meint, dass der Mensch im Grunde nichts anderes sei, als eine Entwicklung aus niederen Lebewesen oder Affen. Dies ist eine sehr gefährliche Entwicklung, weil damit die Position des Menschen in dieser Welt – auch in der Medizin – entwertet wird.
Hildegard wäre dies niemals in den Sinn gekommen, weil sie davon ausging, dass der Mensch das göttliche Ebenbild in der Schöpfung ist und jeder Mensch einen nur ihm allein übergebenen Auftrag hat, der aber leider von den meisten nicht voll erfüllt wird, weil der Mensch, seit der Vertreibung aus dem Paradies, in einem inneren Konflikt mit seinen positiven und negativen Seiten steht.
Die Folgen werden bereits dramatisch bei Eva und Adams Kindern deutlich, bei dem es wegen Neid und Missgunst zum ersten Brudermord kam. Dieser Konflikt wird übrigens bis zum heutigen Tag weitergeführt, trotz Bekenntnis zu den Menschenrechten und allen Beteuerung der Friedensliebe zur Menschheit.
Es ist heute nichts anderes als zu Zeiten Hildegards im 12. Jh. In den vergangenen 900 Jahren hat sich an der Einstellung des Menschen zum Mitmenschen wenig geändert. Wir treten hier auf der Stelle, im Gegensatz von Hildegard, die den Menschen als aktiven Partner Gottes in der Schöpfung sieht.
Wurde Hildegard von ihrer Zeit geprägt?
Klöster waren in Hildegards Zeit der einzige Ort, wo die Krankheiten und Leiden der Menschen behandelt wurden, die antike Tradition übernommen wurde und die neuen christlichen Vorstellungen von der Wissenschaft erforscht wurden. Es gab noch keine Universitäten, aber Zentren.
Zwei möchte ich nennen: in Toledo, das gerade von den Mauren befreit worden war, spielten die Einflüsse der vertriebenen Juden eine grosse Rolle. Im süditalienischen Salerno entstand die erste Medizinschule.
Wir haben keinen einzigen Beweis, dass Hildegard in ihrer Klause, in der sie 38 Jahre im Kloster Disibodenberg lebte, die Literatur jener Zeit gelesen hat. Gewiss, sie machte später weite Reisen, nachdem sie die Klöster Rupertsberg bei Bingen und später Eibingen gegründet hatte. Doch woher hat sie ihre wirklich stupenden Kenntnisse über die Heilkunde, die Kräuterkunde, die Behandlung und auch ihre Vorstellungen gewonnen? Das ist bis heute ihr Geheimnis. Bei Hildegard findet sich nur ein Hinweis auf Plinius, aber sonst auf keinen anderen, der in der damaligen Zeit bekannten wissenschaftlichen ärztlichen Gelehrten. Dennoch hat Hildegard den ganzen Geist ihrer Zeit voll erfasst und in ein ausgezeichnetes medizinisch kosmisches System gebracht.
Einige Autoren, z.B. Prof. Heinrich Schipperges und und Prof. Irmgard Müller, haben die Echtheit der Schriften der Hl. Hildegard bewiesen, die ja lange Zeit umstritten war. Es ist heute ziemlich sicher, dass die wichtigsten Werke von ihr selbst stammen müssen, zumindest von ihr diktiert wurden.
Beeinflusste das Klosterleben Hildegard?
Da ist zunächst der Orden der Benediktiner, dessen Regeln sie sich unterworfen hat. Benedikt von Nursia führte einen neuen Paragraphen in die jungen Klosterorden ein:
Die Sorge für die Kranken geht über alles und vor alles.
Diese Vorschrift ist entscheidend auch für Hildegards Wirken gewesen, weil sie ja in der Tat die Behandlung von Krankheiten jeder Art – seelisch und körperlich – als eine ihrer Aufgaben ansah. Darüber hinaus beschäftigte sie sich nicht nur mit der Medizin, sondern auch mit der Anthropologie und der gesamten Lebensführung des Menschen.
Wie fürsorglich sich der Orden der Krankenpflege annimmt, zeigt ein Bauplan des Klosters von der Insel Reichenau:
Ein regelrechtes Infirmarium, also ein Krankenrevier, mit Öfen – ungewöhnlich für ein Kloster, in deren Zellen man ja in der Regel auch im Winter nicht heizt – und Toiletten Einrichtungen, die wegen der Geruchsbelästigung mit einem kleinen Gang verbunden sind.
Das hat eine besondere Bedeutung, weil damals das Abführen, neben Aderlass und dem blutigen Schröpfen, eine der wesentlichen Heilmassnahmen war. Grossen Einfluss auf Hildegard hat sicherlich auch die im Mittelalter übliche schriftliche Weitergabe der Literatur. Dadurch konnte sie ihre Kenntnisse und die Erfahrungen weitgehend ausdehnen.
Auch von den Werken der Hl. Hildegard sind zahlreiche Abschriften bekannt. In dieser Zeit, vor der segensreichen Erfindung des Buchdrucks, wurden die als Manuskripte in die damals bekannte Welt versandt.
Für Hildegard wichtig:
Die Heilkräfte einheimischer Kräuter
Zweifelsohne spielt der klösterliche Kräutergarten eine grosse Rolle in Hildegards Leben. Angeordnet von Karl dem Grossen, wurden in allen Klöstern Heilpflanzen-Gärten angelegt. In seinem riesigen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, das ganz Europa umfasste, mussten, je nach der Lage und Klima, einheimische Heilkräuter angepflanzt werden. So war man nicht mehr gezwungen, teure Drogen aus dem Mittelmeerraum oder aus Palästina – die Kreuzzugszeit war ja angebrochen – oder gar aus Asien und Afrika, denn andere Länder kannte man ja noch nicht, zu verwenden.
Dass es Erkenntnisse über die Heilkräfte in einheimischen Pflanzen gibt, ist ein besonderes verdienst der Hl. Hildegard.
Viriditas – ein hildegardischer Qualitätsbegriff
Bei der Phytotherapie, d.h. der Beschäftigung mit den Heilpflanzen, hat die Hl. Hildegard nicht nur die Pflanze als solche herausgestellt. Noch wichtiger war für sie die Viriditas – die lebenserhaltende Kraft, die anscheinend das Leben überhaupt in Pflanze, in Tier und in Steinen unterhält.
Natürlich spielt Viriditas auch bei Bäumen eine grosse Rolle. Sie bewirkt das Aufströmen der Säfte in den Bäumen, damit diese im Frühling wieder Grün ansetzen können.
Viriditas bedeutet für Hildegard von Bingen weit mehr. Es ist z.B. auch das – übrigens bis heute nicht restlos aufgeklärte – Phänomen der Wundheilung, dass eine Wunde sich auch ohne Hilfe durch einen Arzt oder eine Heilbehandlung wieder schliesst.
Offensichtlich existiert auch im Organismus selbst eine Heilungskraft.
Auch die Schutzmechanismen im Organismus, wie sprechen heute von Immunität, bezeichnet die Hl. Hildegard schon damals mit dem Begriff Viriditas.
Zugleich beschreibt sie in ihrem naturheilkundlichen Werk, wie besondere Fähigkeiten der Pflanze durch bestimmte Prozeduren, durch die Herstellung von Sirupen, von Extrakten, von Lotionen oder Abkochungen und dergleichen, über längere Zeit konserviert werden oder überhaupt erst in Konzentration zur Wirkung kommen können.
Hildegard von Bingen ist also durchaus ein Vorläufer für die spätere Pharmazie. Hildegard hat alles lateinisch geschrieben, aber die Namen der einheimischen Pflanzen sind alle in deutscher Sprache, oder was man damals für Mittelrheinisch hielt, niedergeschrieben worden.
Es ist wichtig, nicht aus seiner Mitte zu fallen
Neben der Heilung mit Pflanzen war die seelische Ruhe eine der wichtigsten Heilmethoden. Die seelische Stimmung spielte zu Hildegards Zeiten eine grosse Rolle: Wie man sein Leben im eigenen oder im von der Natur vorgegebenen Rhythmus gestaltet. Allerdings muss man ihn kennen, vor allem auch befolgen, um nicht aus seiner Mitte zu fallen. Zum Lebensrhythmus gehört auf der einen Seite unbedingt die Ruhe eines wohlgeordneten Lebens, d.h. auch das Ausspannen oder die Meditation, die man nur in der Ruhe vollziehen kann.
Tabletten, die man zur Beruhigung gibt, sind alles andere als Meditationshelfer. Und gerade gegen solche Mittel hat sich die Hl. Hildegard sehr ausgesprochen. Sie hat z.B. Alraune und Opium, die beiden berühmten „Ruhigsteller“ in jener Zeit, nicht gut geheissen. Sie warnte, dass diese Mittel mehr Gefahren bieten, als sie Erfolg bringen können. Man sollte sich möglichst dieser Mittel nur selten und nur in ganz grossen Ausnahmefällen bedienen. Das war eine sehr weise Voraussicht einer Frau, die doch schliesslich keine ärztliche Praxis betrieb, sondern als Äbtissin über den Dingen stehen musste.
Der gefährlichste Saft im Menschen: die Melanche
Eine direkte Beziehung zur Medizin der Antike zeigt sich in der hildegardischen Vier-Säfte-Lehre. Hildegards Medizin basiert auf vier Säften, aber im Gegensatz zur Antike nennt sie diese nicht Schleim, Blut, schwarze Galle und gelbe Galle, sondern
Körpersäfte, die auf den 4 Blutbestandteilen beruhen:
Diese 4 Säfte werden in 4 grossen Organen produziert.
Der für den Menschen gefährlichste Stoff – und das hat die Hl. Hildegard sehr oft und sehr eindrucksvoll beschrieben – ist die Melanche, die schwarze Galle. Das Überwiegen der schwarzen Galle soll zu Depressionen führen, zu einer Verstimmung, ja bis hin zur Selbstmord-Neigung.
Auch bei den anderen Substanzen spielen die psychischen Komponenten bis zum heutigen Tage eine grosse Rolle.
Wir reden von den 4 Temperamenten:
Damit beziehen wir psychische Phänomene mit ein. Heute haben wir vergessen, dass damals in der Antike, und auch bei Hildegard, ausdrücklich die Verbindung von somatischen, auch körperliche Änderungen der Säfte mit psychischen Veränderungen einhergehen.
Man nutzte 2 Möglichkeiten der Heilbehandlung:
1. Das Bestreben, im Menschen die Harmonie wieder zu erzielen und damit die Gesundheit wieder herzustellen.
2. Bei der Dyskrasie, einer Entmischung der harmonischen Blut- und Körpersäfte, mit Hilfe von:
Um das eine,
was zuviel oder das andere,
was zu wenig im Körper vorhanden war,
auszuleiten oder wieder hinzuzufügen.
Auch die Pflanzen entsprechen bei Hildegard der 4 – Säfte - Lehre.
Es gibt welche, die eher dem humoralen Prinzip der Melancholie entsprechen und andere, die fröhlich machen, wie z.B. Dinkel, Flohsamen oder Fenchel.
Doch bei der Anwendung ist die Hl. Hildegard sehr speziell:
Contraria contrariis, d.h. das eine mit dem Gegensätzlichen zu bekämpfen.
Bei Hildegard gibt es aber auch Anzeichen für gewisse homöopathische Gedankengänge: Similia similibus, also Ähnliches mit Ähnlichem zu behandeln. Aber es wird in ihrem Werk nicht ganz klar, welcher Richtung sie sich stärker zuwandte.
Die Hl. Hildegard verfolgte 3 Vorstellungen, die in jener Zeit durchaus gängig waren.
Diaita heisst die Lebensform.
Hildegard unterteilt sie in 6 Gebiete, die res non naturalis, die vom Menschen beeinflussbar sind.
Bei diesen 6 Punkten kann man durch menschliches Zutun, durch Training oder durch entsprechende Rezepte viel Positives bewirken, beschreibt Hildegard ausführlich.
Diese Krankheiten, so heisst es bei Hildegard, sind erst mit der Vertreibung aus dem Paradies auf die Welt gekommen. Ebenso wie die Raffgier, Streitsucht, Zorn und Wutausbrüche, die negativen Seiten des Menschen.
Hildegard betont, dass alles darauf ankommt, hinter diesen negativen Seiten das Gute zusehen und die Laster in Tugenden zu transformieren.
Denn auch die seelischen Komponenten tragen zum Wohl oder Wehe des Menschen bei, wie die noch junge Epigenetik es heute erneut bestätigt.
Gedanken, Gefühle und spirituelle Werte wie Liebe, Freude und Lebenslust sind Signale, die von der Messenger RNA aufgenommen wird. Diese RNA ist in allen Körperzellen massenhaft vorhanden und beeinflusst das menschliche Erbgut, Krankheiten zu heilen oder zu Verhüten.
Negative Signale können dagegen Krankheiten auslösen.
Warum gewinnt Hildegard an Aktualität?
Warum kehrt eine bestimmte Heilrichtung nach längerer Zeit, in der sie untergetaucht zu sein scheint, wieder in die Öffentlichkeit zurück?
Einem Medizinhistoriker kommt es gelegen, dass Gedanken, die zu einer anderen Zeit ausgedrückt worden sind, zwar eine Zeitlang verschwinden, um dann eruptiv, wie ein Vulkan, wieder nach oben zu kommen. Auf einmal heisst es: das ist ja genau das, was wir eigentlich schon immer vermutet haben und gedacht hatten.
Im 12. Jh. war die Hl. Hildegard eingebettet in den Kosmos der Welt. Es war ein beruhigendes System für den Menschen des Mittelalters, dass er unter dem Schutze Gottes, unter dem Firmament in dieser Welt, stand. Und er war sicher, dass von aussen nichts eindringen konnte. Diese Vorstellung des Mittelalters wurde langsam durchbrochen, genau genommen durch den Misserfolg der Kreuzzüge.
Zuerst war das Volk überzeugt, dass die von Gott gewollten Kreuzzüge – so haben die Päpste es jedenfalls dargestellt – als Expansionspolitik erfolgreich sein müssen. Am Ende der Zeit stellte man aber fest, sie waren ein Fehlschlag und hatten ausserordentliche Verluste und Einbussen mit sich gebracht. Damit war die Vorstellung relativiert, dass diese Welt in Ordnung ist. Jedes Mal bei einer Jahrtausendwende verdichtet sich die Annahme, dass sich ausserirdische Einflüsse negativ auswirken könnten.
Im Jahre 1000 war das Gefühl, diese Welt geht bald auseinander – genau so wie heute.
Noch vor Hildegards Zeit wurde propagiert: Man sollte sich möglichst nur noch göttlichen Dingen zuwenden, alles Vermögen verschenken, nichts Neues mehr anfangen, keine neuen Impulse ausgeben.
Und dann stellte sich im neuen Jahrtausend heraus, die Welt ist doch nicht untergegangen.
Der Medizinhistoriker kann heute – kurz vor dem Jahr 2000 – Ähnliches beobachten: Eine zunehmende Angst, dass diese Welt durch Menschenhand, z.B. durch eine Atombombe, vernichtet werden könnte. Sie ist ausserordentlich lebendig, wirkt sehr viel stärker als z.B. im Jahre 1900 beim Jahrhundertwechsel.
Wird auch dies zu einer weiteren Renaissance von Hildegards Werken beitragen?
Sicher ist: Das Prinzip der Harmonisierung, das bei Hildegard ganz ausgeprägt war, beginnt auch heute wieder eine große Rolle zu spielen.
Verfasser: Prof. Dr. Dr. H. Schadewaldt, Arzt und Medizinhistoriker, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Redaktionelle Bearbeitung: Frau Gudrun Heyer, Kirchsteig 1b, 91459 Eschenbach